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Schweine auf einem Bauernhof, Guillaume Anne van der Brugghen, 1860 - 1891

Schweineweiden – Refugium verlorener Arten

Aus heutiger Sicht mag es ungewöhnlich erscheinen, Hausschweine unter freien Himmel zu halten, doch bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts war dies normal. Aus Sicht des Artenschutzes und der Förderung von Biodiversität wird diese Haltungsform wieder interessant. Hier ein kleiner Einblick davon, was Schweine anders machen als andere Weidetiere und warum gerade gefährdete Pflanzenarten davon profitieren.

Erste Ansätze zur Stallhaltung von Schweinen kamen schon im 19. Jahrhundert auf. Jährlicher Höhepunkt war dabei die Eichelmast im Herbst. Die Schweine wurden in den Wald getrieben, um sich an Eicheln und Bucheckern fett zu fressen. Der Gewinn, der aus dem Verkauf des Fleisches gezogen wurde, war sogar höher als der Verkauf des Waldholzes.

Wodurch unterscheiden sich Schweine von anderen Haustieren?

Schweine verhalten sich bei der Beweidung einer Fläche anders als Schafe, Pferde oder Rinder. Sie fressen nicht nur die oberflächliche Biomasse in Form von Gräsern, Kräutern oder Leguminosen, sondern durchwühlen den Boden zusätzlich nach Wurzeln, Samen, Insekten und Würmern. Was nicht ohne Folgen bleibt. Zwar wird oberirdische Biomasse zerstört, doch durch das tiefe Aufwühlen des Bodens können langlebige Samenbänke wieder an die Oberfläche befördert und zum Keimen gebracht werden. Die Wühlstellen werden somit zu Regenerationsnischen für gefährdete Pflanzen. Eine solche Wühlstelle ist keine ebene Fläche, sondern weißt ihr eigenes Mikrorelief auf. Das führt dazu, dass Arten, die eigentlich unterschiedliche Ansprüche an die Bodenfeuchtigkeit stellen, zusammen an einer Stelle wachsen können.

Schweine vernichten durch ihre Fraßaktivität die charakteristische Pflanzengesellschaft der Wiesen und Weiden. Zugleich bildet sich wieder eine Pioniergesellschaft heraus. Durch die Wühltätigkeit der Schweine nimmt der Anteil an kurzlebigen Arten mit einer langlebigen Diasporenbank, ohne ausdauernde Achsenorgane und geringer Wurzeltiefe, zu. Solche Pflanzen werden auch als Therophyten bezeichnet.

Was sind Diasporen?

Unter dem Begriff Diasporen werden die einzelnen Ausbreitungsorgane, wie Samen, Früchte oder Zwiebeln, zusammengefasst.

Schweine wühlen teilweise so tief, dass jahrzehntealte Samenvorräte wieder an die Oberfläche gelangen. So können Arten, die bereits als verschollen oder ausgestorben galten durch eine Wiederaufnahme der Beweidung erneut zum „Leben“ erweckt werden.

Ein Beispiel hierfür ist der Kleefarn (Marsilea quadrifolia), der in Deutschland lange als verschollen bzw. ausgestorben galt.

Typische Arten einer Schweineweiden – eine kleine Auswahl

– Zierliches Tausendgüldenkraut (Centaurium pulchellum)

– Vierblättriger Kleefarn (Marsilea quadrifolia)

– Sumpf-Wolfsmilch (Euphorbia palustris)

– Gottes-Gnadenkraut (Gratiola officinalis)

Schweine sind gegenüber Schafen, Pferden und Rindern auch anderweitig im Vorteil. Mit ihnen ist eine Beweidung auch auf vernässten Flächen, wie Auen möglich, da sie nicht unter durch Feuchte bedingten Hufkrankheiten leiden.

Was waren / sind die Gründe für eine Haltung im Stall?

Durch Innovationen und Verbesserungen im Feldfutterbau war es ökonomischer geworden die Tiere in ihren Stallungen zu füttern. Aus hygienischer Sicht fanden ebenfalls Verbesserungen statt, da nun auch die Krankheitskontrolle erleichtert wurde. Die neue Haltungsform brachte jedoch neue Probleme mit sich, die sich heute noch in moderner Stallhaltung finden lassen. Dazu zählt u.a. vermehrt negatives Verhalten wie Schwanz- und Ohrenbeißen.

Wie ist die Situation heute?

Klingt alles vielversprechend, wenn es darum geht einer gefährdeten Flora ein Habitat zu schaffen. Doch gegenwärtig ist eine Freilandhaltung von Schweinen mit sehr hohen Kosten und Aufwand verbunden. Ein Grund hierfür ist die Schweinepest. Die Klassische Schweinepest ist in Europa schon verbreitet. Dagegen ist die Afrikanische Schweinepest noch nicht in allen europäischen Ländern angekommen.

Sollen Schweine draußen gehalten werden, muss ein wilddichter Außenzaun, ein elektrischer Innenzaun und eine Hygieneschleuse installiert werden, um die Vorgaben des Tierseuchengesetzes und der Schweinehaltungshygieneverordnung einzuhalten. Eine Alternative würde das flächendeckende Impfen darstellen. Doch gegenwärtig sind Impfungen innerhalb der EU noch nicht möglich, da die USA und Australien die Einfuhr von Fleisch oder weiterverarbeitete Produkte von geimpften Tieren nicht erlauben. In diesen Ländern hat sich die Schweinepest noch nicht ausgebreitet.

Aus der Sicht des Naturschutzes und hinsichtlich der Förderung und Erhaltung von Biodiversität stellen Schweineweiden also eine interessante Nutzungsform dar. Selten gewordene oder verschollene Arten können so wieder auf einer Fläche angesiedelt werden. Landschaftspflege mit Schweinen ist jedoch mit hohen Ausgaben verbunden, die für die Seuchenprophylaxe aufgewendet werden müssen. Soll der Verkauf des Fleischs die hohen Haltungskosten decken, muss auf jeden Fall eine sehr gute Vermarktungsstrategie gefunden werden, welche auch die ökologischen Vorteile dieser Haltungsform betont.

Quellen

Jäger, Eckehart, Stefanie Neumann, und Erich Ohmann. Botanik. Berlin: Springer Berlin, 2015.

Redecker, Bernd, Bernd Redecker, Werner Härdtle, Peter Finck, Uwe Riecken, und Eckhard Schröder. Pasture Landscapes and Nature Conservation, 2002. http://public.eblib.com/choice/publicfullrecord.aspx?p=3090468.

Poschlod, Peter. Geschichte der Kulturlandschaft Entstehungsursachen und Steuerungsfaktoren der Entwicklung der Kulturlandschaft, Lebensraum- und Artenvielfalt in Mitteleuropa, 2017. http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:101:1-201704011666.

„TSIS – TierSeuchenInformationsSystem“. Zugegriffen 25. Juli 2020. https://tsis.fli.de/default.aspx.

„Schweine in der Landschaftspflege – Geschichte, Ökologie, Praxis“. NNA Berichte. Schneverdingen: Alfred Toepfer Akademie für Naturschutz, 2005. https://www.nna.niedersachsen.de/download/90228/B05-2_Schweine_in_der_Landschaftspflege.pdf.

Frey, Wolfgang, und Rainer Lösch. Geobotanik: Pflanze und Vegetation in Raum und Zeit. Heidelberg: Spektrum Akad. Verl., 2010.

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