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Blick auf die Hagia Sofia in Istanbul

Veggiedays in Byzanz

Urban Farming, Veganismus, eine Metropole europäisch, wie auch orientalisch geprägt – was nach dem Berlin der heutigen Zeit klingt, war Konstantinopel, Hafenstadt am Bosporus und Hauptstadt des Byzantinischen Reiches. Welches Gemüse im mittelalterlichen Konstantinopel auf den Tisch kam und warum es innerhalb der Stadt angebaut wurde, dass erfahrt Ihr hier. Viele der Gemüsearten sind uns noch heute bekannt. Am Ende des Beitrags finden sich dann noch einige Rezepte zum ausprobieren.

Das Byzantinische Reich wird oft vergessen, wenn vom europäischen Mittelalter die Rede ist. Dabei war es ein Hort von Kultur, Kunst und Wissenschaft. Die Byzantiner:innen selbst bezeichneten sich als Römer:innen und verstanden sich als Erben des antiken Imperiums. Das Reich formte sich aus römischen Staatswesen, griechischer Kultur und christlichen Glauben. Konstantinopel als seine Hauptstadt war Handelsknotenpunkt zwischen Orient und Okzident.

In der Antike von Griechen:innen als Byzantion gegründet, wurde es in der Spätantike unter der Leitung von Kaiser Konstantin in Konstantinopel umbenannt. Nach der Eroberung durch die Osmanen:innen im 15. Jahrhundert, wurde sie Hauptstadt des Osmanischen Reiches. Anfang des 20. Jahrhundert zerfiel dieses und unter türkischer Herrschaft wurde Konstantinopel das heutige Istanbul.

Luxusfleisch und dumme Milch

Brot, Breie und Suppen auf der Basis von Getreide (hierzu zählt auch Reis!) waren die Grundnahrungsmittel in Konstantinopel. Nahrungsmittel tierischen Ursprungs wurden vergleichsweise wenig verzehrt. Nur die reiche Oberschicht konnte sich Fleisch leisten. Im Mittelalter galt das Rind als Arbeitstier für Landwirtschaft und Transportwesen und war deshalb viel zu wertvoll, um es einfach zu verspeisen. Fleischlieferanten waren Hühner oder anderes Geflügel. Zusätzlich war der Genuss von Fleisch durch religiöse Verbote, wie dem christlichen Fasten, für die überwiegende Anzahl der Stadtbewohner fast über 100 Tage im Jahr eingeschränkt. Auch war es verpönt, tierisches Fett oder Oliven- und Sesamöl während der Fastenzeit zu sich zu nehmen.

Andere tierische Produkte, wie Käse, Butter oder Milch hatten in der Bevölkerung keinen guten Ruf – nur ungebildete und Menschen mit geringen gesellschaftlichen Ansehen aßen diese Dinge. Die Bezeichnung »Milchtrinker« wurde als Beleidigung benutzt. Obst brachte ein wenig Süße auf den Teller. Gegessen wurden Weinbeeren, Feigen und sogar Zuckerrohr. Der kam aber erst im Spätmittelalter an den Bosporus und war sehr teuer. Fisch war schon eher etwas für die einfachen Leute, doch da die Menge und Qualität des täglichen Fangs variierte, schwankte der Verkaufspreis stark. Verschiedenste Haselnüsse und Walnüsse oder auch Samen,wie Mandeln ergänzten die Palette an Nahrungsmitteln. Gewürzt wurde mit Salz, Knoblauch, Kreuzkümmel, Zimt, Lavendel, Pfeffer und unterschiedlichen Essigsorten. Aber auch hier bestimmte der Geldbeutel die Vielfalt auf dem Teller.

Gemüse leistete einen eher geringen Anteil zur Deckung des täglichen Energiebedarfs. Aber es brachte, neben wichtigen Vitaminen und Ballaststoffen, eine willkommene Abwechslung in die sonst eher faden mittelalterlichen Speisen.

Gemüse der Metropole

Woher wissen wir, was im mittelalterlichen Konstantinopel an Gemüse angebaut wurde? Bücher über Landwirtschaft und Medizin aus der damaligen Zeit dienen uns als schriftliche Quellen. Da wäre zum Beispiel eine Geoponika aus dem 6. Jahrhundert. Diese landwirtschaftlichen Fachbücher aus der Antike und dem Mittelalter geben uns Einblick in die byzantinische Landwirtschaft.

Dieses eine Buch teilt sich in verschiedene Abschnitte, die sich jeweils Pflanzenbau, Tierhaltung und der Wasserwirtschaft rund um Konstantinopel widmen. In dem Kapitel »Information, was jeden Monat entsprechend dem Klima Konstantinopels gesät und was umgepflanzt wird« sind Empfehlungen und Anleitungen für den Gemüseanbau im Großraum Konstantinopel niedergeschrieben. Es folgt eine Auswahl von Pflanzen, die in der Geoponika aufgelistet werden. Die Liste ist unvollständig, da sich einige Namen nicht mehr übersetzten ließen:

Meerkohl, Gartenmelde, Bockshornklee, Petersilie, Porree, Zwiebel, Mangold, Karotten, Runkelrübe, Bohnenkraut, Weißkraut, Koriander, Dill, Raute, Zichorie, Lattich, Minze, Mangoldmalve, Endivie,Kohlrabi, Rauke, Gartenkresse, Kardamon, verschiedene Arten von Salatpflanzen.

Diese Namen sind uns auch in der heutigen Zeit noch bekannt. Doch durch natürliche Mutation und menschlicher Züchtung wird es im Laufe der Jahrhunderte zu solchen Veränderungen gekommen sein, dass die Pflanzen aus der Gegenwart mit dem gleichen Namen sich wohl deutlich von ihrem mittelalterlichen Pendant, unterscheiden. Auch Spargel wird in der Geoponika aufgeführt. Damit ist aber nicht unbedingt die Pflanze gemeint, die wir unter dem Namen Spargel kennen (Asparagus officinalis), sondern unterschiedliche Pflanzenteile, die eine Ähnlichkeit zum essbaren Teil von Spargel aufweisen.

Urban Farming in Konstantinopel

Bis zur Zeit der Industrialisierung war es im ländlichen Raum üblich, sich selbst mit Nahrungsmitteln zu versorgen. Die Versorgung mit Gemüse wurde durch Gärten sicher gestellt, die sich in der Nähe zu Wohnhäusern und Hofstellen befanden. Klöster betrieben ebenfalls Gärten für den Eigenbedarf. Neben der Verwendung als Lebensmittel, spielte die medizinische Verwendung der Pflanzen in weltlichen wie geistlichen Haushalten eine Rolle.

Eine mittelalterliche Stadt war jedoch zu groß, um sich von den umliegenden Höfen versorgen zu lassen. Nachdem die Justinianische Pest die Bevölkerungszahl Konstantinopels stark dezimiert hatte, leben ungefähr 100.000 Einwohner in der Stadt (heutiges Göttingen: 117.000 Einwohner).

Vor allem Getreide musste aus den umliegenden Regionen oder aus der Ferne importiert werden. Auch im Byzantinischen Reich war dies so. Ein Großteil des byzantinischen Getreidevorrats stammte aus Ägypten. Weitere Importprodukte waren Leguminosen (Hülsenfrüchte), Wein, Olivenöl, Speck und Gewürze. Letztgenannte waren lange haltbar und konnten aufgrund ihres Gewichts leicht transportiert werden.

Die Geoponika bezieht sich auf den Anbau von schnell verderblichen Gemüse, wie Salate und (Runkel-) Rüben. Frisches Gemüse konnte zur damaligen Zeit nicht lange gelagert werden. Die Transportkosten spielten dabei ebenfalls eine entscheidende Rolle. Der Import von schweren Gemüsearten, wie Rüben war angesichts des hohen Preises völlig unrentabel. Aus diesem Grund wurde das Gemüse in oder in der Nähe von Konstantinopel angebaut.

Die Stadtgärtnereien

Konstantinopel wurde von zwei Mauern umgeben, der Konstantinischen und der Theodosianischen Landmauer. Zwischen diesen bestand ein Raum von ungefähr 6 km², auf dem einzelne Gehöfte, Adelssitze, Klöster, Weiler und sich landwirtschaftliche Fläche inklusive der städtischen Gärtnereien, befanden. Dort wurde das Gemüse angebaut, was täglich und frisch via Ochsenkarren auf den Tellern der Bürger Konstantinopels, landete. Exkremente aus der Stadt selbst nahmen den umgekehrten Weg und trugen zur Versorgung der Gärten und Felder bei.

Für die Wintermonate, in denen kein frisches Gemüse zur Verfügung stand, wurden Kraut- und Kohlarten durch das Einlegen in Salz- oder Essigsalzlake haltbar gemacht. Noch heute ist dieses Lebensmittel unter den Namen Torshi in Südosteuropa, Kleinasien, im Kaukasus und im Nahen Osten verbreitet.

Gerichte

Typische Gerichte der byzantinischen Allgemeinbevölkerung wurden in keiner Schriftform überliefert. Den damaligen schreibkundigen Menschen waren solche Informationen wahrscheinlich einfach zu unwichtig. Eine Ausnahme bilden die Rezepte für Schonkost aus medizinischen Büchern. Zur Rekonstruktion der byzantinischen Küche muss also ein bisschen improvisiert werden. Griechische Rezepte für die Fastenzeit oder die heutigen mediterrane Küche dienen dafür als Inspirationsquelle. Johannes Koder hat im Zuge seiner Forschungen (siehe Quellenangaben unten) Vorschläge gemacht, wie byzantinische Gerichte hätten aussehen können. Es folgt eine Auswahl dieser Vorschläge.

Vorspeisen

Bulgursalat

Bulgur dient hier als Salatbasis. Nach Geschmack können Bohnenkraut, Dill, Koriander, Kresse, Minze, Weinraute, Schnittlauch als Gewürz hinzugefügt werden. Der Geschmack wird mit Petersilie, Zwiebeln, Öl, Minze, Kresse, Dill und Koriander abgerundet.

Hauptspeisen

Gebratene Karotten

Die Karotten zunächst dünsten/kochen, dann in Öl (eventuell mit Zwiebeln und Kräutern) anbraten und mit Essig ablöschen. Anschließend wird alles mit Knoblauch, Kümmel und anderen Gewürzen versetzt.

Gefüllter Lauch

Am besten große Lauchstangen mit entsprechend großen Blättern verwenden. Die Lauchblätter kochen. Nebenbei eine Fülle aus (vegetarischen) Hackfleisch und Reis vorbereiten. Nach Geschmack würzen und Öl hinzugeben. Die gekochten Blätter befüllen und zusammenrollen (ähnlich einem Wrap). Im auf 180°C vorheizten Backofen knusprig backen.

Gefüllte Zwiebeln

Den Backofen auf 180°C mit Ober- und Unterhitze vorheizen. Eine Fülle auf Basis von Reis, Bulgur oder Couscous vorbereiten und nach Bedarf mit Petersilie, Zimt und anderen Gewürzen versetzten. Geschälte Zwiebeln in Salzwasser weich kochen. Dann abschrecken, halbieren (wenn gewünscht) und anschließend aushöhlen. Die gefüllten Zwiebeln im vorgeheizten Ofen ca. 20 bis 25 min goldbraun backen.

Rüben

Zerkleinerte und vorgekochte Rüben in einer Sauce aus gestampften Kümmel, Rauke vermischen und mit etwas Honig, Essig, Garum und Öl kochen.

Garum ist eine Fischsauce, die sehr typisch für die römische Küche war und dort sehr oft als Gewürz verwendet wurde. Moderne asiatische Fischsaucen können diese Zutat ersetzten.

Schlusswort

Die Ernährung der Allgemeinbevölkerung von Konstantinopel war sehr vegan ausgerichtet. Welche Gerichte genau im byzantinischen Konstantinopel alltäglich zubereitet wurden wird wohl nie komplett zu rekonstruieren sein. Aber der eigentliche Zauber liegt ja nicht in das, was war, sondern was wir uns darunter vorstellen: mediterranes Flair an der Schwelle von Europa und Asien, verführerische Gerüche von Gewürzen, Myrrhe und Weihrauch, der Geschmack von Wein, Brot, Olivenöl und den vielfältigen Gemüsearten.

Quellen

Koder, Johannes.Gemüse in Byzanz: die Versorgung Konstantinopels mit Frischgemüse im Lichte der Geoponika, 1993.


Daim, Falko, und Jörg Drauschke. Hinter den Mauern und auf dem offenen Land: Leben im Byzantinischen Reich. Mainz: Verlag des Römisch-Germanischen Zentralmuseums, 2016.

Weiterlesen

https://en.wikipedia.org/wiki/Byzantine_gardens

https://de.scribd.com/doc/278725055/Byzantine-Garden-Culture-2002-pdf

Bildquellen

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